Bibel und Wiederheirat

Vorläufige Thesen

zu

Ehescheidung und Wiederheirat

(aus dem Jahr 1992)

1. Jesus sagt in Matthäus 19,6: „Was nun Gott zusammengefügt hat, soll (nicht: kann!) der Mensch nicht scheiden.“ Der Mensch SOLL eine Ehe nicht scheiden. Aber meines Wissens sagt die Bibel nirgend- wo, dass eine einmal geschlossene Ehe vor Gott nie mehr geschieden werden KANN! Nach der Bibel kann man eine Ehe immerhin „brechen“!

2. Wenn ein Prediger eine zweite Eheschließung erst nach dem Tod der ersten Frau für zulässig hält, so geht er möglicherweise von dieser Annahme aus, dass die erste Ehe vor Gott immer noch Bestand habe. Wo aber steht das in der Bibel?

3. Wenn alle ursprünglichen Ehen von Geschiedenen vor Gott noch Bestand hätte, dann wäre der Idealfall, dass jeder Mensch, der im fortgeschrittenen Alter zum Glauben findet, zu seinem ersten Ehepartner zurückkehren müsste! (Übrigens wäre dann auch jede zweite Ehe, solange der erste Ehepartner noch lebt, keine Ehe, sondern nur ein Zusammenleben in Unzucht.)

4. Das würde aber mit 5. Mose 24,1-4 nicht zusammenpassen: Danach darf ein Mann, der seine Frau verstoßen hat, sie eben NICHT wieder zum Weib nehmen, wenn sie dazwischen einem anderen Mann angehörte! D.h. vor Gott war die erste Ehe offenbar wirklich ein für allemal aufgelöst! (Dabei mag man bedenken, dass das AT sonst in Bezug auf die Ehe eher laxe Vorschriften macht! Vgl. Mat. 19,8!)

5. Bei Geboten, die in der Bibel gegeben werden, muss man immer darauf achten, in welche Situation hinein sie gesprochen sind, d.h. für welche Zeit sie gelten und für wen. So gibt die Bibel zwar ein Gebot der Beschneidung, doch betrifft dieses Gebot nicht die nichtjüdischen Christen des 20. Jahrhun- derts! Wir brauchen uns also um dieses an sich eindeutige Gebot nicht im Geringsten kümmern! Es geht uns nichts an.

6. Zumindest der Beginn der Bergpredigt richtet sich an die Jünger: Nach Matthäus 5,1+2 saß Jesus, während die Jünger um ihn herumstanden (oder sich vielleicht auch setzten). Auch bei einer anderen Auffassung wäre die Bergpredigt immerhin zum Gottesvolk der Juden gesprochen, das in einem Bund mit Gott stand. Matthäus 5,32 (und Lukas 16,18): „Ich aber sage EUCH: Wer seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei, macht, dass sie Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch“. Man beachte, dass 1. Korinther 7,10+11, das für rein christliche Ehen gilt, und Mat.5,32 praktisch identische Regelungen treffen! So soll es bei dem Volk seines Bundes zugehen. (Vgl. Mal. 2,14-16!)

7. Unsere heutige Situation in Deutschland ist eine andere. Wir befinden uns nicht in einer allge- meinen Bundessituation (die trifft nur auf rein christliche Ehen zu). Viel häufiger haben wir es mit Misch- ehen zu tun, wo ein Ehepartner durch eine Bekehrung seit einiger Zeit innerhalb des Bundes steht, der andere aber außerhalb. ZU DIESER SITUATION HAT SICH JESUS NICHT GEÄUSSERT! Er sprach zu Juden, die als solche zum Bundesvolk gehörten und legte ihnen das für sie als Bundesvolk geltende jüdische Gesetz aus.

8. Regelungen für Mischehen (Missionssituation) ließ Jesus noch offen. Das war nicht die Situation seiner Zuhörer. Jesus selbst bestätigt, dass seine Lehren noch ergänzungsbedürftig waren: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden [...].“ (Joh. 16,12+13) Genau dies scheint in 1. Kor. 7 geschehen zu sein. Dort wurde für die neu entstandene und bisher nicht berücksichtigte Situa- tion eine Regelung getroffen, und zwar doch wohl unter der Leitung des Heiligen Geistes (1.Kor.7,12. 25.40b)!

9. In 1.Kor.7,10+11 werden zunächst die Anweisungen Jesu für die Bundessituation, d.h. rein christliche Ehen, wiederholt. Daraufhin widmet sich Paulus der Situation der Mischehen, wozu sich Jesus - wie Paulus ausdrücklich bestätigt - nicht geäußert hat: „Den übrigen sage ich, nicht der Herr [...]“ (V.12, vgl. V.10) Man beachte das „den ÜBRIGEN“. Das heißt, für die Ehen von Gläubigen gilt V.10+11, also die der Bergpredigt entsprechende strenge Regelung. Für die ANDEREN Ehen trifft Paulus in seiner apostolischen Vollmacht die noch ausstehenden notwendigen Regelungen.

10. Diese Regelungen müssen anders sein, da bei ungläubigen Ehepartnern „Herzenshärtigkeit “ vorliegt (vgl. Mat.19,8) und sie u. U. kaum nach Gottes Willen fragen (u. U. weit weniger als ein frommer Jude). Deshalb sind solche Ehen manchmal nicht zu retten (anders als rein christliche Ehen: Röm. 5,5!). Was aber dann???

11. Eine bestehende Ehe mit einer Ungläubigen soll nach Möglichkeit weitergeführt werden (1.Kor.7, 12-14). Wenn jedoch der ungläubige Teil sich scheidet, so ist eine Ehescheidung für den gläubigen Teil in Ordnung (1.Kor.7,15-16).

12. Nach einer solchen Trennung ist der gläubige Teil „nicht geknechtet“. Nicht geknechtet, das heißt gemeinhin: FREI. Ein lebenslanges Wiederverheiratungsverbot wäre eine wirkliche Knecht schaft. Ebenso ein lebenslanges Bemühen um Bekehrung und Rückkehr des ausgebrochenen Ehe- partners.

13. Interessant ist dazu 1.Kor.7,28-29: „Bist du an eine Frau gebunden, so suche nicht los zu werden; bist du frei von einer Frau, so suche keine Frau. Wenn du aber doch heiratest, so sündigst du nicht.“ Im Griechischen steht nicht einfach „frei von einer Frau“, sondern „gelöst von einer Frau“, was eine vorangegangene Bindung voraussetzt. Es wird derselbe „Wortstamm“ verwendet wie bei „los zu werden“, dort ist ja wohl die Scheidung gemeint. D.h. es scheint für Geschiedene zu gelten. - Aber selbst wenn meine Griechischkenntnisse hier in eine falsche Richtung führen sollten, ist doch auf alle Fälle das Tatsache, dass diese zwei Verse auf einen Geschiedenen zutreffen: Ein Geschiedener ist „frei von einer Frau“, oder nicht?? (Es sei denn, man würde auf der Unauflöslichkeit der Ehe beharren, aber wo ist die in der Bibel belegt?)

14. Auch Röm.7,2 steht einer neuen Heirat nicht im Wege: „Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange erlebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes.“ Hier ist von einer VERHEIRATETEN Frau die Rede (wörtlich etwa: die unter dem Mann [stehende] Frau). Und eben nicht von einer geschiedenen Frau. Ich kenne auch keine Stelle aus den fünf Büchern Mose (= das Gesetz!), die einer Frau verbietet, nach der Scheidung ihrer ersten Ehe nochmals zu heiraten (vgl.5.Mo.24,1-4). Röm.7,2 muss sich also auf eine verheiratete Frau beziehen.

15. 1.Kor.7,8+9 ermutigt dem Wortlaut nach auch Geschiedene dazu, unter bestimmten Umständen zu heiraten: „Ich sage aber den Unverheirateten und den Witwen: es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten, denn es ist besser, zu heiraten, als (vor Verlangen) zu brennen.“ - Ein Geschiedener ist unverheiratet, denn er ist ja nicht verheiratet. Er war zwar verheiratet, ist es aber nicht mehr. Das ist doch logisch. (Falls die Bibel hier auf einem anderen Standpunkt stehen sollte, dann sollte dies auch klar und deutlich in ihr drinstehen.)

16. Nach 1.Kor.7,2 soll um der sonst drohenden Unzucht JEDER verheiratet sein! Zählen Geschiedene nicht zu dieser „Jeder-Allgemeinheit“? Kann in ihnen kein gewaltiges Verlangen mehr brennen? Sind nicht auch sie in Gefahr, im ehelosen Zustand in Unzucht zu fallen? „Aber um der Unzucht willen habe jeder seine eigene Frau, und jede habe ihren eigenen Mann!“

17. 1.Kor.7,38-40 könnte man als eine kurze Zusammenfassung des ganzen Kapitels verstehen. Vers 39a ist auf eine verheiratete Frau zu beziehen (also nicht auf eine geschiedene!), denn es wird von IHREM Mann gesprochen (und nicht von ihrem EHEMALIGEN Mann): „Eine Frau ist gebunden, solange IHR Mann lebt.“ Wenn sich ihr Mann von ihr getrennt hat, dann ist er nicht mehr „ihr“ Mann!

18. In Vers 39b trifft Paulus eine Aussage über das, was NACH dem Tod des Mannes Sache ist: „Wenn aber der Mann entschlafen ist, so ist sie frei, sich zu verheiraten [...]“ Dann steht eine Wiederheirat natürlich allen offen (sowohl Verheirateten als auch Geschiedenen). V.39b trifft keine Aussage dazu, was VOR dem Tod des Mannes gilt. Man hüte sich mit großem Ernst davor, aus V.39b unzulässige Schlussfolgerungen zu ziehen und den betroffenen Menschen damit ein schweres Joch aufzubürden! „Füge zu seinen Worten nichts hinzu, damit er dich nicht überführt und du als LÜGNER dastehst!“ (Sprüche 30,6)

19. Aus der Gesamtheit von 1.Kor.7 könnte man - wie dargelegt - schließen, dass bei rein christlichen Ehen diese Bindung wirklich bis an den Tod fortbesteht, bei Mischehen jedoch bei einer Scheidung nach V.15 eine neue Heirat erlaubt ist. Mit dem genauen Wortlaut des knappen, abschließenden Satzes in V.39a+b würde eine solche Regelung nicht kollidieren! Manchmal muss man schon sehr genau hinschauen, was wirklich dasteht und was nicht!

20. Matthäus 11,30 kann vielleicht eine Hilfe sein, die Frage nach der Wiederheirat Geschiedener im rechten Licht zu sehen: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Ein jahrzehntelanges Eheverbot für die vielen Geschiedenen würde nicht in diesen Rahmen passen.

21. Eine Erlaubnis zur Wiederverheiratung entspräche auch insofern der Liebe, als eine allein stehende Frau mit Kindern in wirtschaftliche Nöte kommen kann. Wenn schon heute, wie viel mehr damals! (Es sei denn, geschiedene Frauen wurden von der Gemeinde tat- bzw. finanzkräftig unterstützt.)

22. Nach 1.Kor.2,16 hat wohl jeder wiedergeborene und geistlich reife Christ eine christusgemäße Gesinnung: „Wir aber haben Christi Sinn.“ Einem Urteil, das aus dieser christgemäßen Gesinnung heraus entspringt, dürfen wir (sehr vorsichtig!) vertrauen. Mir fällt es schwer, es als Gottes allgemeinen Plan zu sehen, dass ein unschuldig Geschiedener aus einer Mischehe möglicherweise jahrzehntelang warten muss, bis er wieder heiraten darf.

23. Jesus würde nach dieser Zusammenschau also seine harten Worte zur Ehescheidung in die Bundessituation hinein gesprochen haben (wo sie von Paulus auch in keinster Weise abgeschwächt werden). Eine Missionssituation - wie bei uns heute die Regel - musste Jesus in seinem Umgang mit dem Bundesvolk der Juden und bei seiner Gesetzesauslegung nicht berücksichtigen. Zudem bietet er wohl fast nie vollständige Abhandlungen über einen bestimmten Punkt unter Berücksichtigung aller nur denkbaren Fälle. Joh. 16,12+13: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden [...].“ Genau dies wäre dann in 1. Kor. 7 geschehen!

24. Vielleicht darf man 1.Kor.7 also folgendermaßen interpretieren:
“Für die rein christlichen Ehen hat uns der Herr schon klare Anweisungen gegeben (V.10). Nicht aber für die ANDEREN Ehen, in denen ein Partner außerhalb des Bundes steht; für ihre spezielle Situation gebe ich Euch unter der Leitung des Heiligen Geistes konkrete Anweisungen (V.12.25.40b). Ist eine Trennung unvermeidlich, so ist der gläubige Partner frei, und er kann auch in Zukunft ein Leben in innerem Frieden führen (V.15+16). Wer aber nicht die besondere Gnadengabe zur Ehelosigkeit hat (V.7), der wird möglicherweise irgendwann (statt inneren Frieden?) ein brennendes Verlangen verspüren (V.9). Dann ist es auch für ihn besser, zu heiraten, als in Unzuchtsünden zu verfallen (V.2.9). Mir wäre es zwar lieber, wenn alle ohne die Verpflichtungen einer Ehe wären (V.1.7.26.35.38). Aber mir ist klar, dass der Regelfall die Ehe ist, denn nur wenige Menschen haben die nötige Gnadengabe dazu, langfristig ohne Ehepartner zu leben (V.2[jeder!!].7). Das gilt natürlich auch für Geschiedene! Sie sind doch keine Menschen von einem anderen Planeten, die ganz anders wie die anderen empfinden. Auch sie können ein brennendes Verlangen haben und in Gefahr kommen, Unzuchtsünden zu begehen (V.2.9). Und deshalb sage ich euch unter der Leitung des Heiligen Geistes (V.15.40b): Wenn sie heiraten, so sündigen sie nicht (V.27+28). Nur soll der gewählte Ehepartner ebenfalls Christ sein und den Herrn lieben (V.39b).”

25. So würde für das Gottesvolk der Christen untereinander ein sehr strenges Scheidungsverbot gelten (Gemeindesituation). Und gleichzeitig würden für die vielen Menschen, die mit ungeregelten Beziehungen oder zerbrochenen Ehen erst zum Glauben finden, dennoch erträgliche und annehmbare Regelungen eingesetzt sein (Missionssituation).

26. Wiedergeborene Christen sollten nur wiedergeborene Christen heiraten (2.Kor.6,14+15; vgl. 1.Kor.7,39).

27. Wichtige Bibelverse:

    5.Mo.4,2: “Ihr sollt nichts hinzufügen zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete!“

    Spr. 30,6: “Füge zu seinen Worten nichts hinzu, damit er dich nicht überführt und du als Lügner dastehst!“

    Luk.11,46: “Er aber sprach: Auch euch Gesetzesgelehrten wehe! Denn ihr belastet die Menschen mit schwer zu tragenden Lasten, und selbst rührt ihr die Last nicht mit einem eurer Finger an.“

    Mat.11,28-30: “Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht .“

 

Vorläufige Gedanken! Stefan Schnitzer, 1992

 

 

Ausführlichere Gedanken finden sich in einem Vortrag aus dem Jahr 2003,
der wahlweise auf vier Audio-CDs oder einer mp3-CD erhältlich ist.

Hier können Sie den Vortrag anhören:

 

Teil 1 des Vortrags

 

Fortsetzung Teil 1 des Vortrags

 

Teil 2 des Vortrags

 

Fortsetzung Teil 2 des Vortrags

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